Phänomenologie
Die Phänomenologie stellt sich die phänomenologische Frage, im Unterschied zur genetischen oder kausalen Frage.
Gemeinsamkeiten zwischen Topologie und Phänomenologie
Die Phänomenologie und Topologie haben folgende Gemeinsamkeiten: Beide hinterfragen die Dominanz des euklidischen Raumverständnisses, und wollen das Raumverständnis tiefer in der unwillkürlichen Lebenserfahrung fundieren. Die Phänomenologie legt die Räumlichkeit tiefer in die Erfahrung des Weite- und Richtungsraumes. Der euklidische Ortsraum wird als eingeschränkter Spezialfall des Raumes betrachtet, der aus Weiter- und Richtungsraum hervorgeht. Die Topologie sieht den euklidischen Raum als Spezialfall des topologischen Raumes an. Topologische Eigenschaften sind fundamentaler als Eigenschaften im euklidischen Raum. “So gesehen, beschäftigt sich die Topologie mit fundamentalen räumlichen Eigenschaften und Beziehungen. Umgekehrt erweisen sich Geometrien wie die projektive oder euklidische als Spezifikationen eines tiefer ansetzenden, topologischen Raumbegriffs.” (Pichler 26) Die Topologie beruft sich auf die Ontogenese, in der Kinder zuerst topologische und später erst euklischen Raumvorstellungen ausbilden, und damit die topologische sich als ursprünglicher erweist.
Unterschiede zwischen Topologie und Phänomenologie
Die mathematische Topologie beschäftigt sich stets mit flächenhaltigen Räumen, d.h. dimensionalen Räumen, egal ob eindimesional, zweidimensional (2D-Fläche), dreidimensional (3D), vierdimensional (3D-Raum + Zeit) oder auch höher-dimensionale physikalische Räume. Die Phänomenologie sieht in der Beschränkung auf den dimensionalen Raum aller metrischen Räumen der Geometrien immer schon eine selbstgewählte Beschränkung. Auch der topologische Raumbegriff ist in dieser Hinsicht kein Stück besser als der euklidische.
Phänomenologie
Deskriptive Phänomenologie
Siehe: Husserl
Hermeneutische Phänomenologie
Siehe: Heidegger, Gadamer
Mantische Phänomenologie
Oskar Becker: Mathematische Existenz, zit. n. [WH-RL 70]
Szenische Phänomenologie
Strukturphänomenologie
Siehe: Rombach
Neurophänomenologie
- in: MPK 190
- Varela: "Neurophenomenology", in: Journal of Consciouness Studies 3 (1996), S. 330-349. (aus MPK 194)
Neue Phänomenologie
Siehe: Hermann Schmitz
Darüberhinaus:
- Die relative Örtlichkeit wird der absoluten nicht strikt entgegen gesetzt, sondern enger an sie angebunden, das es scheinbar eindeutige Korrelationen zwischen beiden gibt. Siehe Aufstellungsarbeit.
Genetische Phänomenologie
Die genetische Phänomenologie darf nicht mit der genetischen Frage der Prozessphilosophie verwechselt werden, der es um den Ablauf in Ereignisketten geht.
Wichtig:
- Nicht nur Beschreibung oder Ordnung der Phänomene, sondern Erforschung des Zusammenhangs von Leibpraxis und Erfahrungsweisen
Transformative Phänomenologie
Quelle der letzten beiden Zitate: [1]
Wichtig:
- Das Phänomen verändert sich, je nach (individueller oder kultureller) Sprache der Beschreibung
Transklassische Phänomenologie
Postphänomenologie
Phänomenologie des Zen
Denn für Zen gibt es in Wirklichkeit nichts hinter der oder anderes als die phänomenale Welt. Zen lässt die Existenz einer transzendentalen, über-sinnlichen Ordnung der Dinge, die getrennt von der sinnlich wahrnehmbaren Welt existieren würde, nicht zu. Der Zen-Buddhismus behauptet diesbezüglich nur, dass die phänomenale Welt nicht nur die sinnliche Anordnung der Dinge sei, so wie sie dem gewöhnlichen empirischen Ich erscheint; vielmehr ist die phänomenale Welt, wie sie sich dem Zen-Bewusstsein erschließt, mit einer gewissen dynamischen Kraft, die treffend mit dem Verb SEHEN bezeichnet werden kann, versehen. So ist das, was mit SEHEN gemeint ist, kein transzendentales Wesen, welches etwas ist, das sich im Hintergrund verhält und völlig abgesondert von den phänomenalen Dingen verbleibt. Im Zen-Buddhismus wird damit viel eher ein dynamisches Kräftefeld in seiner Vollständigkeit und Ganzheit gemeint, ein vollständiges Feld, das weder ausschließlich subjektiv noch objektiv ist, sondern sowohl das Subjekt als auch das Objekt in dem besonderen Zustand vor der Trennung in diese beiden Termini zusammenfasst. die verbale Form SEHEN kann vielleicht eine ungefähre Ahnung davon vermitteln, dass es, anstatt ein Ding zu sein, sei es ein "absolutes" Ding oder eine transzendentale Substanz, ein actus ist, der ein ganzes Feld mit seiner dynamischen Energie lädt.
Unter Verwendung der Termini der vorangehenden Formeln können wir sagen, dass der ganze Prozess dieses ich sehe dies selbst das Feld der Handlung des SEHENS ist. Die wirkliche Bedeutung dieser Aussage wird jedoch erst durch die ausführlichere Analyse der inneren Struktur des dynamischen Feldes klarwerden. (TI-PZB 29)Es ist wichtig, folgendes festzuhalten: die Zypresse im Hof als die Aktualisierung des Feldes zu sehen ist nicht "etwas" sozusagen transzendental Absolutes hinter den konkreten Dingen. Der Hua-Yen-(jap.: Ke-Gon-) Philosophie folgend, die in China ihre Vollendung fand, verneint Zen ausdrücklich ein metaphysisches Etwas, das hinter der Phänomenalität läge.
Ganz im Gegenteil, Zen "verabsolutiert" die Phänomenalität selbst. Die Zypresse in ihrer konkreten Wirklichkeit ist das Absolute in diesem Augenblick, an diesem Ort. Sie ist nicht einmal die "Selbst-Offenbarung" des Absoluten. Denn das Absolute hat keinen "anderen" Ort, um sich zu offenbaren. Und dies ist die Struktur des "objektiven" Aspekts des Feldes. (TI-PZB 49f)Systemische Phänomenologie
Siehe auch: Topologie
Systemische Existenz in der Welt: Szenische Phänomene
Siehe: Topisches Verhältnis
Postklassische Phänomenologie: aktives Umgehen-Können statt passiver Intuition
Nicht das Phänomen selbst, sondern die Beziehung zum Phänomen
Nicht das Phänomen bestimmt die Wirkung, sondern die Beziehung zum Phänomen bestimmt die Wirkung.
Nicht die Vergangenheit bestimmt die Wirkung, sondern die Beziehung zur Vergangenheit bestimmt die Wirkung.
Systemische Phänomenologie statt essentialistische Phänomenologie: Goethe vermerkt (Maximen und Reflexionen, n. 993): „Man suche nur nichts hinter den Phänomenen: sie selbst sind die Lehre.“ (MH-ZSdD 72) Demgegenüber könnte man formulieren: „Man suche nur nichts direkt in den Phänomenen: sie selbst sind Ausdruck der Haltung des Beobachters.“ Einstellung und Erfahrung im phänomenalen Gestaltkreis.
Media: Gunther Schmidt: Die Beziehung zum Phänomen bestimmt die Wirkung
Siehe auch: Übungen: Problem und sicherer Ort
Faktoren der Beziehungsgebung:
- Bewertung
- Bedeutung
- Erklärung und Schlussfolgerung
Unterscheidung:
- Inhalt des Problems
- Wirkung des Problems (kann sich verändern)
Beziehung zu unwillkürlichen Phänomenen
Systemische Phänomenologie ergänzt das systemische Denken um den Bereich des unwillkürlichen Erlebens, und hat daher eine Nähe zu dem hypnosystemischen Ansatz von Gunther Schmidt.
Beziehungen zu den biographischen Phänomenen des eigenen Leibes
Siehe: Guido Rappes Berücksichtigung der biografischen Dimension des Leibes.
Erfahrung mit Gruppenarbeit und -therapie
Systemische Phänomenologie statt individualistische Phänomenologie: Keine Phänomene aus dem einzelnen Erleben fernab von Interaktionen in Gruppen, sondern erlebbare Phänomene, die für Interaktionen in Gruppen eine Rolle spielen.
Phänomenologie und Wissenschaft
Phänomenologie und Systemtheorie
Geschichte
Phänomenologie | Systemtheorie | Sonstige Traditionen | |
---|---|---|---|
Tradition |
|
|
|
Systemische Phänomenologie |
|
Gemeinsamkeiten zwischen Phänomenologie und Systemtheorie
Phänomenologie | Systemtheorie | |
---|---|---|
Erfassen von Ganzheiten | Situation | System |
relationales Paradigma |
|
systemisches Denken als Verbundenheit |
Geschlossenheit | subjektive Tatsachen primär | operationale Geschlossenheit als objektive Tatsache |
Kombination:
- systemisch-phänomenologische Therapie: Aufstellung
- Beziehungsphänomene
Unterschiede zwischen Phänomenologie und Systemtheorie
Phänomenologie | Systemtheorie | |
---|---|---|
Paradigma |
|
|
Image | Individualistisch | "Systemisch", interaktionistisch |
Anthropologie | Leib als lebendige Einheit, leibliches Personkonzept | Körper-Psyche-(Soziales)-Trennung, dualistisches Personkonzept |
Umgang mit Ganzheit | leibliches Sich-Befinden in Ganzheiten (Fühlen) | leib- und ortloses Beobachten |
Grundverhältnis | Topisches Verhältnis | Duales Verhältnis |
Leitwissenschaft | Phänomenologie, Literatur | Naturwissenschaft: Physik, Biologie, Soziologie |
Erkenntnistheorie | Explikationismus | Konstruktivismus |
Offenheit | phänomenologische Offenheit des In-der-Welt-Seins | operationale Geschlossenheit |
Mannigfaltigkeit | Chaotische Mannigfaltigkeit | Numerische Mannigfaltigkeit |
Phänomenologie und Konstruktivismus
Unterschiede zwischen Phänomenologie und Konstruktivismus
Siehe: Explikationismus und Konstruktivismus
Schmitz kritisiert den Konstruktivismus mit einem Pauschalvorwurf des Reduktionismus.
Gemeinsamkeiten von Phänomenologie und Konstruktivismus
Phänomenologie | Konstruktivismus | |
---|---|---|
Erkenntnis ist stets subjektiv und relativ (Gestaltkreis) | Das Phänomen für mich jetzt. Das eigene affektive Betroffensein in Form subjektiver Tatsachen. Es gibt so viele Tatsächlichkeiten wir Bewussthaber. Siehe: Phänomenaler Gestaltkreis | Die eigenen Konstrukte: Es gibt soviele abgeschlossene psychischen Systeme wie Menschen. |
Achtung der Meinung des anderen | Wegen des affektiven Betroffensein des Anderen. Kritisch gegenüber der Verabsolutierung von Theorien, sondern Respekt vor der Qualität der subjektiven Tatsache, vor der Autonomie der Erfahrung | Wegen der operationalen Geschlossenheit des kognitiven Systems. Bedeutung ist stets eine innere Konstruktion, da Sinne keine Bedeutungen transportieren (Physiologismus) |
Die eigene Welt ist nicht alles |
|
|
Erkenntnis als Spiegel oder Tätigkeit | Erkenntnis von Einzelheit durch Explikation (Explikationismus) | Erkenntnis als Konstruktion (Konstruktivismus) |
Fremde Psyche ist unerreichbar | In eine fremde Psyche kann man nicht hinein, weil es sie gar nicht gibt sondern einen Introjektion ist. Aber man kann fremde Gefühle fühlen. | In eine fremde Psyche kann man nicht hinein, weil sie operational geschlossen ist. |
Bewegung von Einzahl-Konzepten (die Welt) hin zu Pluralitäten von Welten | Jeder in seiner persönlichen Situation und in anderen auf seine Weise eingebettet | Jeder hat sein geschlossenes psychisches System mit seiner Welt |
Suche nach dem "Meinigen" | immer meine eigene Leiblichkeit, mein eigenes Fühlen etc. (weniger objektive Gefühle): Leibgebundenheit des Fühlens (und der Gefühle) | immer mein eigenes Gehirn: Organgebundenheit der Gefühle |
- Achtung vor der Meinung des Anderen:
- Vorsicht bezüglich schneller Interpretation, Theorien nicht verabsolutieren zu wollen, sondern immer dem konkreten Erfahrungsbereich des Alltags verbunden zu bleiben, sowie die Autonomie der Erfahrung des anderen zu achten.
Siehe: Realismus, Konstruktivismus